Freitag, 29. Oktober 2010

Verdun 2010

Verdun. Wem fällt auf den ersten Gedanken etwas dazu ein?
Wahrscheinlich nicht vielen. Denen, die sich in der Geschichte auskennen, und die sich gerade im Unterricht damit befassen oder so ähnlich, würde ich zumindest annehmen. Und denen, die da Leben. Achja, und mir. Inzwischen.
Diesen Donnerstag (gestern) waren wir mit diversen Geschichtskursen aus der Schule in dieser Stadt um sie uns mal genau anzusehen. Um es kurz zu sagen: Um Verdun herum fand eine der größten und wohl auch sinnlosesten Schlachten des ersten Weltkrieges statt. Kurzer Überblick:
Februar 1916 haben die Deutschen dort angegriffen, zum einem um die Moral der Bevölkerung und der Truppen zu stärken und zum anderen, weil sie die Stadt für strategisch wichtig hielten. Bei diesem ersten Angriff gelang es ihnen ein Fort der Franzosen einzunehmen, das von dort an als deren Rückzugspunkt galt. Die Schlacht ging weiter bis zum Oktober 1916, an dem die Franzosen besagtes Fort zurückerobern konnten. Währenddessen haben sich die Fronten nicht wirklich verschoben, aber ca 320.000 Menschen ihr Leben gelassen.

Genug zur kleinen Geschichtsstunde, hin zum Tag selbst

Es ist 4:58 Uhr, als ich das erste mal wach bin. Unverschämt, diese Zeit. Aber man kann nichts machen, der Bruder steht in der Tür, fragt ob man so langsam gedenkt aufzustehen. Nein, tut man nicht. Trotzdem quält man sich aus dem Bett, erinnert sich sehnsüchtig an den Montag der Woche zuvor, der auch um diese Uhrzeit angefangen hat. Allerdings gabs da etwas, das einen ganz tollig geweckt hat (stupsen am Arm...ich glaube ich habe gezuckt....) und dann auch irgendwie genau so müde war wie man selbst und überhaupt war damals alles besser...
Eine Minute später fängt das Handy ganz furchterbar an zu brüllen. Es ist also so weit, das man auch wirklich raus muss. Irgendwie hatte ich es vergessen meinen Bruder zu fragen, WANN genau wir denn losfahren würden, und so erfuhr ich erst unten, dass er um 5:15 oder so das Haus verlassen wollte >.<' Igitt. Einmal kurz Brote schmieren, in die Schultasche werfen und noch selbst was runter schlingen. Es ist praktisch mitten in der Nacht, in der wir zu seinem Auto tapsen, einsteigen und losfahren. Na gut, ich tapse. Irgendwann, auf noch nicht dem halben Weg in die Stadt fällt mir dann ein, dass ich etwas ganz ganz wichtiges vergessen habe: Das Geld. Arg. Also noch einmal zurück gefahren, ins Haus gehüpft und NOCH EINMAL los. Mir ist so was immer peinlich. Vor allem um die Uhrzeit, wenn er sowieso für mich in die falsche Richtung fährt.Irgendwann stehe ich dann also mit dem Rest meines Kurses in der dunklen Stadt in der Kälte, warte auf den Bus, suche mit Thu zusammen in selbigem meinen Platz. Es ist dunkel. Musik wird angemacht, die Lehrerin sammelt das Geld ein und dann ist irgendwie nichts mehr. Halbschlaf oder so ähnlich kann man es höchstens noch nennen. 

 Preisfrage: Worum handelt es sich hier? 

Unsere Antwort wäre: ein amerikanischer Wolfhund

Kennt ihr dieses Gefühl? Ihr liegt(sitzt) irgendwo, die Augen zu, Musik in den Ohren. Ihr hört, was um euch abgeht, und gleichzeitig seit ihr am Träumen? Das war mein Zustand die Busfahrt über. Ich musste mich zurückhalten, mich nicht zu bewegen, weil ich träumte diese Bewegung zu tuen (wollte zum Beispiel nach einem Freund greifen), oder zu reden, um auf das zu antworten, was mir gerade gesagt wurde (irgendwas hat mama mir erzählt...)


Es ist A:21 Uhr und wir sind in Saarbrücken. Prost


Iiiirgendwann waren wir dann in Saarbrücken und haben an der Grenze eine Pause gemacht, um nochmal einzukaufen und auf Klo zu gehen. Inzwischen ist es sogar sowas wie hell geworden draußen. Man kann zumindest den Mond sehen. Ich meine zumindest, dass ich die restliche Fahrt relativ wach war. Allderings ging die viel zu schnell, als das ich sie wirklich im wachen Zustand erlebt habe. Was gibt’s noch dazu zu sagen? Wir standen bestimmt zehn Minuten an so nem komischen Ticketschalter, die es irgendwie überall auf den französischen Autobahnen gibt. Unser Busfahrer/unsere Lehrer wurden dabei böse von einer Französin angepampft. Irgendetwas hatten sie wohl falsch gemacht. Aber was.... keeeeine Ahnung.

Diese Stellen sind gemeingefährlich! Vorsicht, Frankreich! 

Schließlich waren wir in Verdun angekommen, und es bewahrheitete sich, was ich seit Paris über Städte in unsrem Nachbarland denke: sie sind trist. Langweilig. Öde. Einfarbig. Langweilig. Gut, vielleicht kam das an dem Tag auch irgendwie vom Nebel, der über dem ganzen Tal lag, aber ich hatte keinen guten Eindruck von der Stadt. Und den Vororten. Von Verdun selbst aus fährt man ein kleines Stückchen nach oben, um zu dem eigentlichem Schlachtfeld zu kommen. Während der Fahrt dort hinauf erzählt die Lehrerin uns, dass die französischen Soldaten damals in der Stadt ihre Ruhe hatten um dann zur Ablösung eben jene Straße hinauf zu steigen. Um sich bombardieren zu lassen. Dabei haben zumeist Esel deren Ausrüstung getragen, damit die Soldaten selbst nicht schon nach dem Marsch total erschöpft sind. Davor wurde dafür gesorgt, dass den Eseln die Trommelfelle platzten, damit sie nicht vom Schlachtlärm erschreckt würden. Ich finde das krank. Das Schlachtfeld selbst ist übrigens gut 7 Quadratkilometer groß. Eine riesengroße Fläche. Früher war dort alles leer, keine Pflanzen mehr und nichts, weil einfach alles weg gebomt wurde. Heute steht dort alles voll mit Wald, der zum Teil gepflanzt wurde, zum Teil wild gewachsen ist. Aber man kann noch zum Teil sehr deutlich die Gräben sehen, durch die die Soldaten damals zur Schlacht hin gelaufen sind. Ich kanns nur immer wieder betonen. Es war krank Oo 


Wir haben uns das Fort selbst angesehen, welches der Rückzugsort für die Deutschen war, und direkt am Schlachtfeld lag. Strategisch zwar ganz günstig, durften die Soldaten immer in unmittelbarer Nähe der Kämpfe „schlafen“. Die Franzosen waren wahrscheinlich ausgeruhter.

Das sind noch die kleinen Geschütze gewesen

Das Fort ist praktisch unter der Erde verschwunden, so kam es mir auf jeden Fall vor. Drinnen war es kalt und nass und leer. Damals war es dort wahrscheinlich nur kalt und nass. Gebaut wurde das Ding von den Franzosen für etwa 500 Mann starke Besatzung. Die Deutschen selbst waren dort mit gut 3.000 Mann. Man muss sich das mal vorstellen. 3.000 Mann eingepfercht in enge Tunnel, die Schlacht praktisch direkt vor der Haustür, nicht in der Lage einmal zu lüften. Der Gestank muss widerwärtig gewesen sein. 

Einer von den Gängen. Sieht groß aus, ist es aber nicht. 
Sorry wegen der scheiß Quali. Hab mein Handy noch nicht im Griff.
 
Durch die Nässe haben sich in den vergangenen 100 Jahren auch Stalaktiten und Stalagmiten in den Zimmern und Gängen gebildet. Erdkunde hautnah. 

Kennt ihr eigentlich den Unterschied? Nunja, Stalagtitten hängen nach unten ;)

 
Wir sind also ein wenig durch dieses Fort gezogen, haben Sachen erzählt bekommen, uns ein paar Räume angesehen, durften uns anhören, wie in etwa es klang, wenn ein Geschütz darauf hinab gesegelt ist, durften hören, wie viele Menschen einfach nur so in ihren Schlafsälen starben, weil die Decke von Bomben getroffen hernieder gesegelt ist, haben uns einen Geschützturm angesehen, der nie wirklich in Betrieb war, haben die Latrinen gesehen (eine für 75 Männer wurde damals gerechnet. Und erinnert euch daran, dass das Ding damals für nur 500 Mann erbaut worden war.)

Das war der Versuch einen Tunnel aus dem Fort heraus zu bauen, da der Haupteingang zu viel bombardiert wurde.  

Schließlich kamen wir wieder heraus aus der Grabstätte, konnten uns das Gelände mal ein klein wenig genauer ansehen. Auch das finde ich persönlich als sehr erschreckend. 


So sieht das da von draußen aus. Nur die Schüler gibts da nich immer. 


Das ist der Hauptausgang gewesen
Nebeliger Weg ins Nichts
 


Ums mal so zu sagen: Das Fort selbst wurde nicht mit Wald überwuchert, dafür sieht man aber verdammt gut jeden einzelnen der Krater, die die Bomben, Geschütze und Granaten hinterlassen haben. Man hat es praktisch mit einer einzigen Mondlandschaft zu tun. Das gesamte Schlachtfeld sieht wahrscheinlich so aus, aber da sind ja jetzt Bäume....

Krater...
 
...Krater...
 
...und noch mehr Krater

 Unsere nächste Station war nur 4 Minuten Busfahrt weg davon. Das gute Ding nennt sich „Beinhaus“ und ist wohl irgendwie einer der erschreckensten Orte, die ich je gesehen habe.

Die Form soll übrigens an ein Schwert erinnern, dass in den Boden gesteckt wurde




Das Beinhaus selbst bezeichnet sich als ein Museum, ist aber eher so etwas wie eine Kirche. Auf jedem der Steine im Inneren war ein Name eines gefallenen Soldaten. Inklusive Lebensdaten, soweit man sie kannte. Die meisten von ihnen waren so um die 22 Jahre alt. Der Jüngste, den ich fand war 20, Thu meinte, sie habe noch einen 19-jährigen gesehen.
Das ist so wahnsinnig. Diese Männer, die damals in diesen Krieg gegangen und r e i h e n w e i s e gestorben sind, waren nicht viel älter als ich es heute bin. Da kommt man sich auf einmal alt vor. Uralt. Vor dem Beinhaus sind Gräber für ein paar dieser Soldaten. Massenhaft Gräber. Ich kann es nur immer wieder erwähnen. 

Das ist nur ein ganz ganz kleiner Teil des Friedhofes
Dann haben wir einen Film angesehen, der die ganze Sache noch einmal gezeigt hat.
Wie die Soldaten ausgezogen sind.
Wie viele Soldaten da ausgezogen sind.
Wie das Schlachtfeld aussah.
Wie die Verwundeten transportiert wurden.
Wie sie auf dem Schlachtfeld gelebt haben.
Wie sie gekämpft haben.

Kanonenfutter. Allesamt. Mir macht das Angst. Dieser Krieg, diese Stellungsschlaten waren zutiefst grausam. Man ist dort hin gefahren in dem Wissen, vielleicht nie wieder zurück zu kehren. Man hatte Angst. Man konnte nicht anders. Man dachte, dieser Krieg würde höchstens einen Monat dauern. Auf beiden Seiten. 

Thu meinte, ich habe einen grünen Ring in der Iris. Stimmt das?

Dann haben wir auf der Rückfahrt einen über 2 Stunden kurzen Aufenthalt in Metz gehabt, weil irgendjemand aus dem Bus anscheinend unbedingt die Stadt anschauen musste oder so. 

Ich habe eine eigene Shishabar :D

Eindeutig gothisch

Thu und ich saßen die meiste Zeit eigentlich nur da und haben uns Nummernschilder angesehen und uns gefragt, mit welchem Sinn die Franzosen diese schreiben. Wir kamen nur so weit, dass wir wussten dass 57 am Ende des Schildes wohl für Metz steht.
Ansonsten war da soooo viel unterschiedliches, ich weiß nicht wie das da gehandhabt wird. Nicht mal die Farben sind einheitlich. 

Einmal dumm gucken für die Kamera bitte <3
 
Dann sind uns noch protestierende Franzosen entgegen gekommen und haben ein wenig Randale gemacht, dann durften wir in die Kathedrale von Metz und schließlich ging es eeeendlich nach Hause.

Ein bisschen protestieren hat noch niemandem geschadet.

Aber ein Zug über eine Virtel Stunde und länger ist ganz schön viel

Alles egal. Sie hatten LEUCHT *__*

Auf dem Heimweg habe ich dann zur Hälfte gedöst, zur Hälfte gelesen und zur Hälfte stumpfsinnig aus dem Fenster gestarrt. Den Rest der Zeit habe ich damit verbracht, mich mit anderen auf die Suche nach Verkehrsschildern zu machen, die uns zeigen sollten, wie lange es denn noch bis nach Hause brauchte. 

Noch ein Abschiedsfoto von Saarbrücken aus... 
Und dann sind wir zuhause angekommen. Endlich. Die Sonne war schon wieder unter gegangen. Wie ich das hasse, von vor Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang unterwegs zu sein. Und so verabschiede ich mich mit einem Satz aus dem Film.

Wir sind das Leben.
 

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